Was wird passieren, wenn Cookies für die Marketing Branche nicht mehr interessant sind?
In dem sogenannten Post-Cookie Zeitalter wird eine programmierte Werbestrategie basierend auf Softwares die Drittanbieter-Cookies vollständig ablösen. Laut dem Online-Vermarkterkreis (OVK) sind bereits 68 Prozent der im Jahr 2020 erworbenen Umsätze mit digitaler Werbung automatisierten Ads zuzuordnen. Die Prognose: Der Anteil wird auch in Zukunft immer weiter steigen. Was Programmatic Advertising genau bedeutet und warum das Thema schon heute für Marketing Agenturen relevant ist, erklären wir jetzt.
Automatisierte Ads – Was ist das?
Automatisierte Werbespots, die programmatisch in Echtzeit verkauft und genauso gekauft werden, und dazu noch auf alle denkbaren Formate automatisch übertragbar sind: Das ist Programmatic Advertising.
Was das genau bedeutet, wie das funktioniert und wie es zu bewerten ist, schauen wir uns im Folgenden an.
Was wird bei Programmatic Advertising automatisiert?
Konsument:innen sehen online ausschließlich die bereits gesendeten Werbespots. Wir als Marketingagentur hingegen kennen alle Schritte, die davor nötig sind, um überhaupt Werbung schalten zu können.
Dabei ist nicht nur relevant über welchen Kanal das passieren soll, sondern auch wo eine Werbefläche passend zu dem eigenen Content verfügbar ist. Es muss ausgewertet werden, wo sich die Zielgruppe online aufhält, die man erreichen möchte, wie hoch die Kosten maximal sein dürfen, und wie viele Mitbewerber:innen sich ebenfalls für diese Werbefläche interessieren. Das sind manuelle Prozesse, die in Zukunft immer weiter automatisiert werden sollen.
Dazu gehört:
- Der Verkauf von Werbeflächen
Websitebetreibende können ihre freien Werbeflächen (Inventar) auf Sell-Plattformen (SSP) zur Verfügung stellen, die dann basierend auf gesammelten Daten für Käufer:innen ausgewertet werden. Passend zu dem Content, der Zielgruppe und den Kriterien der Kund:innen werden diese Plätze vorgeschlagen und automatisiert verkauft.
- Der Einkauf von Werbeflächen
Genauso können Kund:innen auf Demand-Plattformen angeben, welche Werbeflächen sie suchen, wie lange die Anzeige geschaltet und in welchem Rahmen sich der Preis bewegen soll. Die Software wertet automatisch aus, welche Flächen zu welchen Ads passen. So können perfekt passende Deals abgeschlossen werden, ohne manuell eingreifen zu müssen.
- Die Auktion zwischen Bietenden
Mithilfe von Softwares wird abhängig von Angebot und Nachfrage das beste Gebot ausgewertet. Das bedeutet auch, dass der Kauf automatisiert und dennoch verbindlich abgeschlossen wird. Für Käufer:innen wird der Deal dann und nur dann kostenpflichtig.
- Die Buchung von Inventar
Zu der automatisierten Auktion gehört ebenso das Abschließen einer Buchung für Bieter:innen, sobald ein Gebot gewählt und in Echtzeit geschaltet wurde. Ein manueller Prozess ist nicht mehr notwendig und die Abwicklung des Kaufs wird von Softwares automatisch übernommen.
- Die Übertragung auf unterschiedliche Formate
Es ist sogar möglich, Werbespots automatisiert auf andere Kanäle zu übertragen. Soll beispielsweise ein TV-Spot auf die digitale Fläche einer Bushaltestelle übertragen werden, so muss das jetzt nicht mehr aufwendig und manuell passieren, sondern kann automatisiert werden.
Die wichtigsten Begriffe beim Programmatic Advertising
Dazu zählen:
- Programmatic Buying: das automatisierte Kaufen des Inventars
- Programmatic Guaranteed: die automatische Ausspielung von Werbekampagnen für
User:innen in Echtzeit ohne manuellen Buchungsprozess - AdExchange: die Bezeichnung des digitalen Marktplatzes von Werbeflächen
- Inventar: die von Anbieter:innen zur Verfügung gestellten Werbeflächen, die dann auf dem AdExchange angeboten und mithilfe des RTB über DSP und SSP verkauft werden
- Demand-Side-Platform (DSP): die Plattform für den automatisierten Verkauf von medialen Werbeflächen basierend auf der individuellen Nachfrage von Werbenden
- Sell-Side-Platform (SSP): die Plattform für den automatisierten Einkauf von medialem Inventar in direktem Zusammenhang mit den Angeboten auf den DSPs basierend auf den individuellen Kriterien der Käufer:innen
- Real-Time Bidding (RTB): die automatisierte Echtzeit-Auktion von Display Werbung, die auf Basis von den Zielgruppen, dem Angebot-Nachfrage-Verhältnis und den gesammelten Daten Preise bestimmt und Gebote auswertet
Beispiele von Heute: ROI Rate um 170 Prozent steigern
Um verstehen zu können, wie effizient und schnell Programmatic Advertising funktioniert, muss man nur den eigenen Suchprozess beobachten. Nehmen wir an, ein User möchte in den Urlaub fahren und sucht nach den günstigsten Hotels von Norditalien.
Man wird schnell beobachten können, dass selbst bei Suchanfragen, die Sekunden danach getätigt werden und sich nicht mehr auf den kommenden Urlaub beziehen, trotzdem weiterhin Anzeigen zu Hotels in Italien geschaltet werden.
Wie ist das möglich?
Basierend auf dem Suchverlauf und den damit zusammenhängenden Daten werden zu allen User:innen Nutzerprofile angelegt. Diese werden direkt ausgewertet und entsprechenden Ads zugeordnet. Prozesse, wie die automatisierte Auktion von Werbeflächen (RTB), werden direkt abgeschlossen, sodass Anzeigen in Echtzeit zu günstigen Hotels in Norditalien geschaltet werden können.
Noch deutlicher wird es, wenn man sich ein reales Beispiel dazu anschaut, wie von einem kleineren Unternehmen, was sich auf Befestigungstechnik spezialisiert. Diese Firma setzte vollständig auf Programmatic Ads (hier: Display-Werbung), vor allem um Neukund:innen direkt anzusprechen und die Online-Käufe zu steigern.
Das Ergebnis:
(siehe BVDW Programmatic Advertising Kompass 2017/2018)
???? Steigerung des ROI um 170%
???? Steigerung der Click-Through-Rate um 100%
???? Einsparung der Kosten (SEA – Cost per Order) um 55%
???? Einsparung der Kosten (SEA – Cost per Click) um 45%
Real Time Bidding (RTB) ≠ Programmatic Advertising (PA)
Obwohl beide Prozesse eng miteinander verbunden sind, ist es dennoch wichtig, PA nicht mit RTB gleichzusetzen.
Das Real Time Bidding umfasst lediglich einen Teil des Programmatic Advertising, obwohl das RTB schon deutlich länger existiert. Es definiert das automatisierte Bieten um einen Werbeflächenplatz, was der Agentur manuellen E-Mail-Austausch und zeitaufwendige Angebotsverhandlungen erspart.
Das heißt: Ohne RTB gäbe es auch kein PA. Denn automatisierte Ads könnten nicht geschaltet werden, ohne dass das beste Gebot in Echtzeit bestimmt werden könnte. Wie das genau funktioniert, schauen wir uns jetzt genauer an.
Wie funktioniert Programmatic Advertising?
Schon bevor die Ergebnisse für eine Suchanfrage angezeigt werden, starten verschiedenste automatisierte Prozesse: mit dem Ziel, passende Werbung mit dem passenden Inhalt für die passende Zielgruppe in Echtzeit zu schalten. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort für die richtigen Personen. Im besten Fall sogar für potenzielle Kund:innen.
Step 1: Ist auf dem entsprechenden Adserver noch keine Anzeige verfügbar, so wird eine in Echtzeit über den Ad Exchange (Börse) von dem Publisher angefragt. Die manuelle Kontaktaufnahme zwischen Werbetreibenden und Werbeflächenvermietenden fällt also weg.
Step 2: Nach der Anfrage des Publisher können unterschiedliche Demand Side Platforms (DSP) für diese Fläche bieten. Die Software filtert automatisch die passenden Ads für die entsprechenden Werbeflächen heraus. Das bezieht die Bestimmung der Zielgruppe und Abstimmung über Preis und Zeitraum mit ein.
Step 3: Die Ads werden zusätzlich mit dem anonymen Nutzerprofil abgeglichen, also mit den gesammelten Nutzerdaten des Suchanfragenden. Daraufhin wird das beste Gebot ausgewählt.
Step 4: Die manuelle Verhandlung des Angebots ist ebenfalls nicht mehr notwendig. Mithilfe der automatisierten Abwicklung des Kaufs von Werbeflächen entfällt zeitintensiver E-Mail- und Telefonverkehr zwischen den Ein- und Verkäufer:innen. Direkt nach der Wahl des Gewinnergebots wird der kostenpflichte Betrag automatisch an den Werbetreibenden weitergeleitet.
Step 5: In dieser Zeit wird bereits die Anzeige geschaltet und den User:innen angezeigt. Das ist nur möglich, da all diese Schritte in Echtzeit passieren. Bevor automatisierte Anzeigen geschaltet wurden, war die Buchung einer von vielen Schritte, die noch weit vor der Schaltung der Anzeige getätigt werden mussten. Wenn jetzt beispielsweise eine Modefirma die Buchungsbestätigung ihrer Anzeige einsieht und bearbeitet, kann sich die Zielgruppe bereits zeitgleich im Onlineshop der Firma aufhalten – mithilfe von automatisierter Werbung.
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Welche Dealtypen gibt es bei der programmatischen Werbung?
In dem Programmatic Advertising Bereich existieren trotz Automation viele unterschiedliche Wege, Werbeflächen zu verkaufen und genauso einzukaufen.
Der Open Marketplace: Potenziale in der Masse
Zuerst unterscheidet man zwischen dem Open Marketplace und dem Private Marketplace. Der Open Marketplace stellt eine offene Plattform dar, auf der alle Bieter:innen Zugriff auf den zur Verfügung gestellten Inventar haben. Der Preis wird hier meistens mit dem uns bereits bekannten Real Time Bidding bestimmt, also mit einer Open Auction.
Der Vorteil ist hier, dass alle Bietenden, die Zugriff auf DSPs haben, auch auf die verfügbaren Werbeflächen in dem Open Marketplace zugreifen können. Das kann eine höhere Trefferquote bedeuten. Gleichzeitig wird dabei aber die Zielgruppe von der Software basierend auf gesammelten Daten definiert und kann von dem Publisher selbst nicht weiter eingeschränkt werden.
Der Private Marketplace: Potenziale in der Einschränkung
Das ist bei dem Private Marketplace anders. Hier bestimmt der Publisher selbst die Zielgruppe bereits vor der laufenden Auktion. Das heißt, nur eine klar definierte Gruppe an Bietenden hat Zugriff auf das Angebot und kann dafür bieten, also eine Private Auction oder einen Private Deal erzielen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Publisher hat die Möglichkeit vorher eigenständig festzulegen, an wen verkauft werden soll. Nicht jede Werbefläche oder jede Anzeige ist für jeden Bietenden gedacht. Allerdings besteht hier keine Garantie, dass der Publisher zu seinen Vorstellungen verkauft oder dass die Anzeige im Anschluss garantiert geschaltet wird.
Welche Vorteile bietet Programmatic Advertising?
Wieviel Aufwand und Zeit allein innerhalb der automatisierten Auktion (RTB) gespart werden kann, haben wir bereits ausführlich gezeigt. Aber was gibt es noch für Gründe, die deutlich für die ansteigende Entwicklung des Programmatic Advertising sprechen?
???? Kosteneinsparung
Da viele manuelle Prozesse von automatisierten Programmen übernommen werden, kann nicht nur Zeit, sondern auch Geld gespart werden. Zum Beispiel können unbeantwortete Kontaktanfragen sowie überflüssige Telefonate mit Kund:innen, die während der Angebotsverhandlung abspringen, vermieden und hohe Arbeitszeit eingespart werden.
???? Effizienz
Mithilfe von automatisierten Plattformen wird das beste Gebot für den entsprechenden Publisher ausgewählt. Es werden keine Angebote übersehen, die Anzeigen werden in Echtzeit geschaltet und zeitaufwendiger E-Mail-Verkehr wird eingeschränkt.
???? Zielgruppendefinition
Die anzusprechenden Gruppen werden bei PA basierend auf Daten automatisch ausgewertet und gezielt angesprochen. Insgesamt werden damit massive Streuverluste eingeschränkt.
???? Touchpoint-Varietät
Eine Brand hat jetzt die Möglichkeit mit nur einem Ad auf den unterschiedlichsten Kanälen und Formaten für seine potenziellen Kund:innen erreichbar zu werden. Die Online Performance wird verbessert und die Sichtbarkeit ohne hohen Aufwand immer weiter gesteigert.
???? Anpassungsfähigkeit
Ads können automatisch angepasst und auf andere Formate übertragen werden. Zum Beispiel können Werbeanzeigen auf dem Desktop auf mobile Endgeräte zugeschnitten werden. Was vorher einen hohen Arbeitsaufwand bedeutet hat, läuft jetzt automatisch.
UNSER FAZIT
Kritische Fragen zum Thema Programmatic Advertising
Wenig Aufwand, geringe Kosten und alles automatisch – das klingt erstmal attraktiv für jeden Werbetreibenden. Trotz all der Vorteile werden die Prozesse des Programmatic Advertising ebenso kritisch hinterfragt. Was bedeutet das, wenn in der heutigen Werbebranche die manuellen Schritten automatisiert sind, und in erster Linie nicht mehr von uns selbst gesteuert werden?
Datenschutz
Eine massive Sammlung an Daten ist notwendig, um automatisierte Ads effektiv und treffsicher zu machen. Gerade für Digital Out-of-Home Werbeflächen (DooH) müssen konstant Location-Daten gesammelt werden, um die Zielgruppe bestimmen und dementsprechend Ads schalten zu können. Das kann von Nutzer:innen kritisch hinterfragt werden.
Es können Fragen gestellt werden, zum Beispiel bezüglich der Transparenz für oder der Zustimmung von den Nutzenden, deren Daten ausgewertet werden. Inwiefern stimme ich als User vorher zu, wenn in Echtzeit meine Daten gesammelt und Anzeigen für mich geschaltet werden sollen?
Brand Safety
Nicht jede Website möchte für jegliche Bietenden verfügbar sein. Genauso wenig möchte jeder Werbende auf jeglichen Websites vertreten sein.
Betreiber:innen einer Website können freie Werbeflächen verkaufen, völlig unabhängig von dem eigenen Content, den sie anbieten. Stimmt die Zielgruppe überein, wird der Ad sofort geschaltet und für Kund:innen sichtbar gemacht.
Das gilt vor allem für DooH Werbeflächen, bei denen Anzeigen immer im direkten Zusammenhang mit dem Ort und der Umgebung stehen, wo sie geschaltet werden. So möchten zum Beispiel Werbetreibende einer veganen, nachhaltigen Marke eher weniger direkt neben einem Fastfood Restaurant im Hauptbahnhof angezeigt werden, obwohl die Sichtbarkeit dort hoch wäre.
Wie wird also sichergestellt, dass die eigene Brand nur dort geschaltet wird, wo ich es selbst für sinnvoll und attraktiv halte?
Die Advertising Branche bewegt sich also weg von Cookies hin zu der Sammlung von Location Daten und automatisierten Börsen.
Dadurch versprechen die Methoden trotz der kritischen Fragen hohe Potenziale, um Ihre Zielgruppe auf den unterschiedlichsten Formaten effizient, direkt und treffsicher anzusprechen. Der Zeit- und Kostenaufwand wird verringert, die Klickrate und Sichtbarkeit gesteigert. Die Programme lösen viele manuelle Schritte ab, die sonst Mitarbeiter:innen tätigen müssen. Die Börse, die Buchung und die letztendliche Schaltung der Ads verläuft maximal effizient und erreicht potenzielle Kund:innen in Echtzeit.
Die Entwicklung von Programmatic Advertising ist weiterhin steigend, sodass das Thema für jedes Unternehmen heute schon interessant ist. Falls Sie noch Fragen zum Thema Programmatic Advertising haben, sprechen Sie uns gerne an!